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INTERVIEW MIT DEM GRÜNDER

Leandro Cappellotto

Hr. Cappellotto, Sie haben eine enge Beziehung zu Deutschland. Wie kommt das?
Ich bin in Deutschland geboren und habe meine ersten Lebensjahre dort verbracht. Meine Eltern hatten eine Eisdiele in Walldürn im Odenwald. Als ich 6 war, sind wir nach Italien zurückgekehrt und mein Vater hat in Pordenone Valcucine gegründet, ein Unternehmen, welches sich im Laufe der Jahre zu einem weltweit agierenden Hersteller hochwertiger Küchen entwickelt hat. Die Jahre in Walldürn habe ich, wie auch meine Familie, immer als eine sehr schöne Zeit in Erinnerung behalten und vielleicht ist ja wahr, was meine Freunde sagen... dort habe ich meine „deutsche Prägung" mitbekommen. Nach Abschluss meines BWL-Studiums in Venedig habe ich mich dann entschlossen, an die Stätten meiner Kindheit zurückzukehren... und wieder Deutsch zu lernen. Das hatte ich nämlich in der Zwischenzeit komplett vergessen. Bereits nach wenigen Monaten war ich jedoch in der Lage, in Deutschland zu arbeiten und startete in einer Münchner auf Marketing und Vertrieb spezialisierten Consulting-Firma, in der ich auch meine Lebenspartnerin kennengelernt habe. Mit ihr und unseren zwei zweisprachigen Kindern lebe ich heute im norditalienischen Pordenone. Nach den Jahren als Berater in München bin ich zu Calligaris, einen großen Stühle- und Tischehersteller mit Sitz im italienischen Manzano gewechselt, um dort als Export-Manager für den deutschsprachigen Raum zu arbeiten. In der Zwischenzeit war Deutschland für Valcucine zu einem wichtigen Absatzmarkt geworden und sie baten mich, zu ihnen zu kommen. Also ein Leben zwischen Italien und Deutschland!

Hatten Sie je eine Chance, woanders zu landen als bei Küchen?
Ach, es gibt viele interessante Bereiche. Seit einigen Jahren faszinieren mich beispielsweise die Evolution und Entwicklung im Bereich der Fertighäuser, insbesondere was die Industrialisierung und das Green Building betrifft. Aber am Ende hängt mein Herz immer an den Küchen und ich habe mich entschlossen, in diesem Bereich zu bleiben. Der Küchensektor gefällt mir aus verschiedenen Gründen:

  1. Eine Küche ist ein komplexes Produkt, das aus mehr als 1000 Einzelteilen pro Küche besteht und das individuell geplant werden muss. Das führt sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens – also mit Vorlieferanten oder Handelspartnern beispielsweise – zu beständigen Beziehungen, die auf lange Sicht ausgerichtet sind. Dazu trägt auch der lange und aufwendige Lernprozess bei, der auf gegenseitigeM Verständnis und Vertrauen basiert. Eine Zusammenarbeit, die auf kurze Zeiträume und schnelle Gewinne ausgerichtet ist, ist im Küchensektor nur schwer machbar. Für mich sind dauerhafte und vertrauensvolle Beziehungen äußerst wichtig und ich empfinde das Gefühl, sich auf den anderen verlassen zu können und gemeinsam etwas aufzubauen, als sehr befriedigend.
  2. Der Service und die Planung sind sehr wichtig. Der Wettbewerb ist nicht nur auf Preis und Design reduziert. Die Konkurrenz aus Niedrig-Lohn-Ländern ist damit begrenzt.
  3. Ein Großteil der Produktinnovationen in den letzten Jahren wurde durch Lieferanten von Materialien und Beschlägen angestoßen. Bei den Prozessinnovationen waren es die Maschinenhersteller. Das führte dazu, dass sich die Küchenhersteller oft auf das bloße Zusammenbauen konzentriert haben. Und hier zählen vor allem Skaleneffekte. Hinzu kam die allgemeine Krise der letzten Jahre. In Folge verschwanden viele kleine Unternehmen vom Markt. Eine „Artenvielfalt" in Sachen Angebot, die verlorengegangen ist und zu austauschbaren und zum Verwechseln ähnlichen Produkten geführt hat. Kurz gesagt: Es gibt Raum für etwas Anderes und vor allem Raum, etwas anders zu machen.

Erzählen Sie uns, was der Name bedeutet?
Jedes Unternehmen versucht mehr oder weniger offensichtlich, über seine Produkte und Dienstleistungen dem Kunden das Gefühl von „Glücklich-Sein" zu verkaufen. Ich denke jedoch, dass Glück - oder auch Unglück - eher von den menschlichen Beziehungen abhängt. Sprachlich gesehen kommt „convivio" aus dem Latein: convivium: Bankett, gemeinsames Festessen und convivo (cum+vivere): zusammenleben. Den Namen „Convivio" habe ich gewählt, weil dahinter das Konzept eines Ortes steht, an dem man zusammentrifft, bei sich zu Hause ist, an dem man seine Zeit gemeinsam mit anderen verbringt. Unser Beitrag für das „Glücklich-Sein" sind Einrichtungslösungen, die den Ansprüchen des modernen Lebens genügen. Für den Raum, in dem wir gemeinsam essen, uns unterhalten und austauschen, uns am geselligen Zusammensein freuen, wo wir lachen und traurig sind, fröhlich und nachdenklich. In dem wir aber immer unsere Beziehungen, unsere zwischenmenschlichen Kontakte innerhalb der Familie oder mit Freunden genießen.

Was ist anders an convivio?
convivio unterscheidet sich sowohl bezüglich des Produktes als auch bezüglich der Arbeitsprozesse und ist damit eine der wenigen Küchenhersteller im höheren Preissegment, der konsequent auf Industrie 4.0 setzt.

Was heißt das?
Jeder Produzent muss im gesamten Produktions- und Vertriebszyklus ein Gleichgewicht zwischen Kosten und Einnahmen finden, sonst kann er nicht überleben. Nur wenige Unternehmen konzentrieren sich dabei aber auf die wirklichen Kostenfaktoren, und die liegen oft in einer ineffizienten Arbeitsweise, die die gesamte Wertschöpfungskette betrifft. Es gibt einige Hersteller von Standardprodukten im Niedrigpreissektor, die dieses Problem erfolgreich angegangen sind. Aber bisher gibt es keinen kleineren Hersteller, der die technischen Möglichkeiten konsequent nutzt, das damit verbundene Potenzial ausschöpft und flexibel hochqualitative und maßgefertigte Küchen anbietet. Man hat sich zu sehr auf eine Richtung konzentriert und denkt und produziert noch wie vor 20 Jahren!

Aber die heutigen Unternehmen nutzen doch bereits Maschinen, Computer und Software!
Natürlich haben Software und Computer Einzug gehalten. Aber es ist oft Stückwerk. Die Software des Designers kommuniziert beispielsweise nicht richtig mit der Produktionssoftware, zum Teil müssen Daten per Hand übertragen oder Fehler gesucht werden. Und es wird - notgedrungen - „angestückelt".
 Es ist viel effizienter, alles aus einem Guss zu fertigen, die einzelnen Arbeitsschritte vom ersten Entwurf des Designers bis zur Verpackung und den späteren After-Sales-Services miteinander zu vernetzen. So läuft auch die Kommunikation und Datenübertragung zwischen den Teilprozessen reibungslos, schnell und vor allem fehlerfrei. Die Technik dafür ist da, aber sie wird nicht oder nur teilweise eingesetzt.

Woran hängt es?
Oft mangelt es in den Führungsebenen schlicht an Fachwissen und Verständnis. Aber man sieht sich auch gewissen Beharrungskräften ausgesetzt, Kompetenzen und Machtstrukturen werden in Frage gestellt. Wir alle machen es doch am liebsten so, wie wir es schon immer gemacht haben. Bereits gekaufte Technik und Maschinen müssten ersetzt werden. Produkte, die nicht im Hinblick auf eine kostengünstige Fertigung, sondern ausschließlich unter dem Aspekt der Schönheit designt wurden, sorgen für hohe Kosten und eine ineffiziente Fertigung. Kurzum, es ist für ein bestehendes Unternehmen ein sehr großer Aufwand. 
Für ein neu gegründetes dagegen, das von Anfang an vom Produktdesign, über die Fertigung bis zur Kundenpflege die technischen Möglichkeiten von Industrie 4.0 nutzt und alle Abläufe unter diesem Blickwinkel optimiert, ist es jedoch möglich. Das erlaubt, die eingesparten Kosten als günstigere Preise an den Endkunden weiterzugeben. Und genau das tun wir bei Convivio.
 Nicht nur schön, sondern auch effizient.

Das betrifft die Seite, „wie" sie arbeiten. Und „was" machen Sie? Erzählen Sie uns vom Produkt!
Während meiner langjährigen Arbeit bei Valcucine bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass eine Küchenfront mit einem Aluminiumrahmen die beste aller Lösungen ist. Diesen Aluminiumrahmen sieht man, wenn man auf die Rückseite der Front blickt, während der Kunde für die sichtbare Vorderseite ein Dekorpaneel nach seinen Wünschen auswählt. Die Fronten - und damit die Küche insgesamt - ist aus Glas, Holz, Laminat, Metall, MDF oder auch keramischen Materialien wie Sinterstein. Eben so, wie der Kunde es möchte. Der Vorteil einer Rahmenkonstruktion ist, dass die Tür komplett wasserfest ist (ein nicht ganz unwichtiges Detail in einer Küche) und je nach verwendetem Material leichter als eine herkömmliche Front, was sich äußerst positiv auf die Langlebigkeit von Scharnieren und Schubkastenführungen auswirkt.

Aber diese Lösung nutzen doch auch viele andere Küchenhersteller?
Das stimmt, wir bei convivio haben sie allerdings verbessert. In der grifflosen Variante - die funktionalste und aus ästhetischer Sicht sauberste Lösung - öffnet man die Tür über eine Griffkehle. Im Unterschied zu den meisten anderen Herstellern ist diese bei uns in die Front eingearbeitet und beansprucht damit nicht einen Teil des Platzangebotes im Küchenkorpus. Hinzu kommt an dieser Stelle eine patentierte Innovation von convivio: Wenn man von vorn auf die Küche schaut, sieht man, dass die Griffkehlen waagerechte und senkrechte Linien bilden, die je nach Hersteller z. B. aluminiumfarbig, schwarz oder im besten Fall matt lackiert sind. Wir haben diese „Linien" zu einem Stilelement gemacht. Der Kunde ist nicht an die vom Hersteller gewählte Farbe der Griffkehle gebunden, sondern kann die Rückseiten der Griffkehle - diese bilden optisch gesehen nämlich die „Linien" - im gleichen Material (Glas, Laminat etc.) wie die Küchenfront wählen. Entweder in der gleichen Farbe, damit die Linien fast unsichtbar werden und die Küche ästhetisch sauber und elegant wirkt, oder in einer anderen Farbe, um einen wirkungsvollen Kontrast zu setzen.

Viele moderne Einrichtungslösungen entscheiden sich für offene Wohnlösungen, dem sogenannten Open Space, bei dem Küche und Wohnraum einen großen Raum bilden. Aber nicht immer möchte man seine Küche mitten im Wohnzimmer haben. 
Das sehen wir genauso und ich habe bereits im Jahre 2012 eine elegante und praktische Lösung für dieses Problem gefunden, diese patentieren lassen und in den letzten Jahren zur Marktreife weiterentwickelt: unser System Mirabilis. In Open-Space-Lösungen werden je nach Raumsituation entweder Kücheninseln oder in den Wohnraum integrierte Küchen verwendet. In beiden Fällen bietet unser System Mirabilis die perfekte Lösung und beseitigt die Nachteile, die ein Open Space mit sich bringt.

Die da wären?
Vom Wohnraum aus hat man einen freien Blick auf die Küche und umgekehrt. Das ist meistens schön, kann aber manchmal auch unerwünscht sein. Im Falle einer Kücheninsel kann man mit unserem System Mirabilis mit nur einer Handbewegung den Küchenbereich vom Wohnbereich trennen. Hat man eine in den Wohnraum integrierte Küche, kann man diese schließen. Dabei gleiten in beiden Fällen zwei waagerechte Fronten nach unten, die über die ganze Länge der Küchenzeile gehen und bis zur Raumdecke reichen können. 
Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt: Die Küche ist der Raum, in dem man wohnt, in dem sich auch Gäste aufhalten und in dem man sich wohlfühlen möchte. Er ist nicht mehr nur ein Ort, wo man putzt, wäscht, zubereitet, kocht, konserviert usw. Diese Entwicklung lässt sich schon seit längerem beobachten. So findet man gebürstetes Edelstahl als Material fast nur noch in Großküchen, die rein funktional sein müssen. Es werden heute auch bei den Elektrogeräten schicke und ästhetisch schöne Materialien und Farben verwendet, die Dunstabzugshauben sind „unsichtbar" geworden und lassen sich in die Arbeitsplatte oder einen Oberschrank integrieren oder es werden flache Deckenhauben verwendet. Die Sockelblenden werden, wie bei Wohnzimmermöbeln, möglichst niedrig gestaltet. Jalousieschränke mit Rollläden sind, obwohl äußerst praktisch, aufgrund ihres technischen Aussehens fast ganz verschwunden.
 Der allgemeine Trend ist also: weg von der Ästhetik einer technischen „Arbeitsstätte" und hin zu einer Ästhetik von Wohnen, Einrichten, von Möbeln, die aber trotzdem alle Funktionen der Küche erfüllen müssen.
 Mit Mirabilis haben wir diesen Trend konsequent weitergedacht und eine Möglichkeit entwickelt, die Küchenoptik vollständig in eine Möbeloptik zu verwandeln und nicht nur einzelne Elemente etwas schicker oder unauffälliger zu machen. In ihrem Innersten bleibt die Küche aber immer Küche. Man sieht's ihr nur nicht immer an ...

Klingt nach Magie ;-)
Und es hat noch einen praktischen Nebeneffekt: Wenn man mit dem Kochen fertig ist, ist die Küche normalerweise in Unordnung: Benutzte Töpfe und Pfannen stehen herum, Rest von verwendeten Zutaten, das Kochfeld ist verschmutzt, usw. Wenn man kann, entflieht man dem Chaos, macht die Küchentür einfach zu und isst entspannt im Esszimmer.

Eine Option, die man bei einem Open Space nicht mehr hat, oder?
Mit Mirabilis schließt man einfach den Arbeitsbereich, sobald das Essen auf dem Tisch steht! Familienmitglieder, Freunde und Gäste schauen damit nicht auf die Hinterlassenschaften in der Küche, sondern sehen ein elegantes Möbelelement, welches perfekt integriert ein Gewinn für jeden Wohnraum ist.

Und wenn der Mirabilis geöffnet ist?
Dann kann man ganz normal in der Küche arbeiten. Die Öffnungsmechanik nach oben ist die aus praktischer und ergonomischer Sicht beste Lösung, da die geöffneten Fronten nicht im Weg sind. Mirabilis kann bei Küchen mit einer Tiefe von 60 cm bis zu einer Tiefe von 95 cm verwendet werden. Die Frontenlänge ist beliebig anpassbar und kann eine Länge von bis zu 3,60 m erreichen. Mirabilis kann an der Wand stehen oder auch in der Raummitte positioniert werden, wo er dann als Raumteiler fungiert.

Wichtig für den Endverbraucher ist ja nicht nur der Hersteller mit seinen Produkten, sondern auch die Küchenplanung, die vor Ort im Küchenstudio gemacht wird.

Das ist richtig. Auch hier gibt es entscheidende Verbesserungen. Dank der Digitalisierung bekommt der Endkunde mit convivio alle Küchenelemente millimetergenau angepasst. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht! Im Normalfall arbeiten die Küchenhersteller, und damit auch die Küchenplaner, mit Modulen von 30, 45, 60, 90 und 120 cm. Wenn die Küche eine Länge aufweist, die nicht in dieses Raster passt, werden entweder Verblendungen als „Füllmasse" eingesetzt oder teure Elemente mit Sondermaßen angefertigt. Wir bei convivio sind dank Industrie 4.0 in der Lage, für jede bestellte Küche alle Küchenelemente auftragsabhängig selbst zuzuschneiden, genau in den Maßen, die sich der Kunde wünscht, millimetergenau in Breite, Tiefe und Höhe. Es gibt aus unserer Sicht keinen Grund, warum der Kunde mehr Geld für eine passgenaue Einbauküche zahlen sollte, nur weil die Küchenbauer in Modulen denken! Also: Maßanfertigungen zum Preis einer Serienfertigung. Wir sparen sogar noch, weil wir kein Lager von Fertigteilen haben. Und der Kunde bekommt eine Küche, die genau in seinen Raum passt, mit genau der Korpusbreite, -höhe und -tiefe, die ihm gefällt. Kompromisse oder unästhetische Verblendungen muss er nicht mehr akzeptieren.

Ist auch die Umweltfreundlichkeit bei den Prozessen und beim Produkt berücksichtigt worden?
Selbstverständlich. Heutzutage sollten alle Firmen diesen Aspekt berücksichtigen. Wir sind gegen die "Wegwerfkultur" und wir setzen darum auf Qualität und auf Langlebigkeit der Produkte. Wir benutzen recycelbare oder bereits recycelte Materialien wie Aluminium und Glas. Das Produkt am Ende des Lebenszyklus ist komplett trennbar. Die Spanplatte für die Korpusse wird aus Altholz gefertigt, ist wasserabweisend und CARB2 (niedriger Formaldehyd-Ausstoß) zertifiziert. Die Heizung und Kühlung der Produktionshallen und Büros werden mit effizienten Wärmepumpen erzeugt, unser Gebäude ist saniert und gedämmt.